Nicht erst mit dem gerade erschienen Ärztereport 2013 der Barmer GEK wird deutlich, wie sehr Jungen in ihrem Werdegang mittlerweile systematisch benachteiligt werden.
In allen Bereichen fehlt es an männlichen Sparringpartnern, die für die Identitätsbildung und Persönlichkeitsentwicklung von Jungen unabdingbar sind: fehlende männliche Erzieher in Kindertagesstätten, Mangel an männlichen Lehrern, noch relativ wenige aktive Väter zu Hause. Mit der zusätzlichen Feminisierung der Unterrichtsinhalte in Schulen, ungleichen Bewertungsstandards für Jungen und Mädchen und der Tabuisierung von jungenspezifischen Spielformen ist ein Erziehungsstil entstanden, der noch ungeahnte Langzeitfolgen auslösen kann – verdeckt durch die neue Modediagnose ADHS.
Am 29.12.2013 kommentierte die Barmer GEK ihren Report eingangs mit den Worten: in Deutschland wachse eine „Generation ADHS“ (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen) heran. Der Report, der auf mehr als 8 Millionen Datensätze basiert, stellt eine dramatische Steigerung der ADHS-Diagnosepraxis fest: zwischen 2006 und 2011 sind ADHS-Diagnosen unter 0-19 Jährigen um 42% gestiegen – in allen Altersgruppen sogar um 49%.
Besonders auffällig ist, dass von den 620.000 betroffenen Kindern und Jugendlichen 76% Jungen sind. Beispielsweise wird bei 12% der Jungen, aber nur bei 4,4% der Mädchen im Alter von 10 Jahren ADHS diagnostiziert. 20% aller Jungen des Jahrgangs 2000 sind zwischen 2006 und 2011 von einer ADHS-Diagnose betroffen; bei Mädchen waren es 7,8%.
Schon 2007 stellte Professor Glaeske fest, dass die Verordnung von Methylphenidat („Ritalin“) um das 100-fache in den vorangegangen 15 Jahren angestiegen sei. Angesichts dieser Warnungen und des bisherigen Echos in Medien, Politik und Wissenschaft, löst der Bericht bei dem stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden der BARMER GEK, Dr. Rolf-Ulrich Schlenker, Erstaunen aus „denn an Ärzten und Eltern scheint diese Kritik einfach abzuperlen“. Dr. Schlenker beschreibt diese Entwicklung als „inflationär“ und warnt davor, Ritalin als Ersatz für eine Reihe von anderen Therapieoptionen wie Elterntraining oder Verhaltenstherapie einzusetzen, deren Anwendung er fordert. Er sucht außerdem die Zusammenarbeit mit anderen Fachleuten, Kindergärten, Schulen und „natürlich“ Eltern.
AGENS – als Praxispartner des Düsseldorfer Männerkongresses 2012 – kann hier schon auf Daten hinweisen, die eventuell einen noch brisanteren Zusammenhang zwischen ADHS und den psychosozialen Symptomen derjenigen Kinder erkennen lassen, die aus Trennungsfamilien stammen..
Dort wurde über die vom Bund geförderte KiGGS-Studie berichtet (17.641 Kinder und Jugendliche). Hier wurde bei Kindern und Jugendlichen aus Trennungsfamilien festgestellt, dass sie mindestens doppelt so häufig nicht nur von Verhaltensstörungen – wie Aggressivität – sondern auch von Störungen wie Unaufmerksamkeit bzw. Hyperaktivität betroffen sind wie solche aus „klassischen“ Familien. Auch hier zeigt sich, dass doppelte so viele Jungen wie Mädchen unter diesen Störungen leiden.
Kann es sein, dass wir es hier mit einer massenhaften, pharmazeutisch gestützten Unterdrückung einer kranken Familienkultur zu tun haben? Laut KiGGS-Studie leiden ca. 26% (18% Jungen, 8% Mädchen) der bei alleinerziehenden Müttern wohnenden Kinder unter 18 unter ADHS-Symptomen. Angewendet auf die im Mikrozensus 2010 (auch für 2006) genannten ca. 2 Millionen Kinder alleinerziehender Mütter, ergibt sich eine Zahl von 572.000 ADHS-betroffenen Kindern – ca. 92% der von der BARMER genannten Fälle bei unter 19Jährigen! Damit scheinen die katastrophalen Dimensionen der sog. vaterlosen Gesellschaft überdeutlich zu werden. Gegen diese skandalösen Defizite unserer Politik und Rechtsprechung, wird AGENS mit Publikationen und Veranstaltungen verstärkt vorgehen.
Quellen