Ralf E. Geiling interviewt Günter Buchholz
Prof. Buchholz, halten Sie eine gesetzlich geregelte Frauenquote für sinnvoll?
Was ist eine Frauenquote?
Eine Frauenquote ist nicht Ausdruck des Leistungsprinzips, sondern Ausdruck des konkurrierenden Proporzprinzips, das beispielsweise in der Parteipolitik weithin üblich ist. Stellen oder Positionen werden bei Anwendung des Proporzprinzips nicht nach den Entscheidungskriterien Eignung und Leistung, sondern nach einem willkürlich gewählten Entscheidungskriterium vergeben.
Im Falle der Frauenquote ist es das biologische Geschlecht, aber es könnte, weil willkürlich gesetzt, prinzipiell ebenso irgendein anderes biologisches oder sonstiges Merkmal sein, z.B. die Haut- oder die Haarfarbe, die Größe oder das Gewicht, diese oder jene sexuelle Orientierung, die ethnische oder regionale oder religiöse Zugehörigkeit, oder was auch immer.
Und diese Willkür und Beliebigkeit ist bereits ein Hinweis auf Ungerechtigkeit.
Die entscheidende Frage ist nicht, ob das Leistungsprinzip immer eingehalten wird (ein häufiger Einwand), sondern ob es im Vergleich mit dem Proporzprinzip das bessere und das richtige Prinzip ist! Und zwar einerseits im Hinblick auf die Ergebnisse und andererseits im Hinblick auf die Gerechtigkeit gegenüber den Individuen. Diese Frage kann nur zugunsten des Leistungsprinzips ausfallen, weil sich jede Gesellschaft selbst schadet, die das Leistungsprinzip aufgibt. Und die Gerechtigkeit gegenüber den Individuen, die Chancengleichheit, wäre beseitigt.
Daher beurteile ich Frauenquoten - wie das Proporzprinzip überhaupt - nicht nur als nicht sinnvoll, sondern als prinzipiell schädlich und als ungerecht und somit moralisch verwerflich.
Wie sehen Sie den Erfolg der Quote und die Aussicht auf Erfolg von entsprechenden Sanktionen? (z. B. `leerer Stuhl´)?
Zunächst: was jeweils als „Erfolg" gilt ist relativ, weil es von der Position und den Interessen und den Beurteilungskriterien der jeweils Urteilenden abhängt. Der Erfolg von A kann der Misserfolg von B sein, und umgekehrt.
Aber was sie hier wohl meinen, das ist die Frage, ob aus frauenquotenpolitischer Sicht eine gesetzliche Quote Aussicht auf Erfolg hat, insbesondere mittels des Druckmittels des ´leeren Stuhls´ im Aufsichtsrat. Dazu ist festzuhalten, dass zwar die Politik solche Vorgaben formulieren kann, dass es aber von der Privatwirtschaft abhängt, wie damit umgegangen wird, zum Beispiel politisch, durch Rückwirkung auf die Parteien, oder auch rechtlich. Es ist aus meiner Sicht zum Beispiel sehr wahrscheinlich, dass die Quotenpolitik verfassungswidrig ist. Die Privatwirtschaft könnte und sollte m. E. daran denken, den Rechtsweg zu nutzen. Es ist eigentlich höchst erstaunlich, dass sie das nicht längst getan hat.
Brechen die „Quotenfrauen" künftig massiv in Männerdomänen ein?
Ich weiß nicht, was Sie mit Männerdomänen meinen. Falls Sie an wissenschaftlich-technische Berufsfelder denken sollten, dann muss man darauf hinweisen, dass Neigungen und Begabungen und freie Wahlentscheidungen bei der Berufswahl eine entscheidende Rolle spielen. Man sieht das zum Beispiel daran, dass einmal getroffene Entscheidungen an der Erfahrung geprüft und nicht selten verändert werden. Dieses Suchverhalten ist bei jungen Menschen sinnvoll und völlig normal.
Wenn zum Beispiel quotenpolitisch dafür gesorgt werden würde, dass im Berufsfeld der Ingenieure, das heute (geschätzt) zu mehr als 85% von Männern besetzt ist, Stellen z. B. zu 50% mit Frauen besetzt werden müssten, dann gäbe es den doppelten Effekt, dass erstens jede Ingenieurin, und wenn sie fachlich noch so schwach wäre, eine Stelle bekäme, während gute Ingenieure arbeitslos blieben, und zweitens, dass die meisten dieser Stellen wegen fehlender Ingenieurinnen gar nicht besetzt werden könnten und unbesetzt bleiben müssten. Und das wäre ein irrationales und absurdes Ergebnis, aber die Quotenpolitik erzeugt systematisch solche Absurditäten. Im Hinblick auf die Aufsichtsräte scheinen diese Absurditäten aber nicht abschreckend zu wirken.
Das Prinzip der „Quotenfrauen" wird mit m. E. falschen Begründungen herrschaftlich, von oben nach unten durchgesetzt. Quotenfrauen brechen also nirgendwo ein, sondern sie werden mit normativen und politischen Mitteln dort hineingedrückt, wo sie von sich aus nicht zum Zuge kämen. Das biologische Merkmal des weiblichen Geschlechts wird fälschlicherweise so behandelt, als wäre es ein Qualifikations- oder Leistungsmerkmal.
„In Männerdomänen einbrechen" könnten Frauen nur umgekehrt, von unten nach oben, indem sie sich, ebenso wie es von den Männern erlangt wird, qualifizieren und mit der nötigen Anstrengung und mit dem nötigen Durchhaltevermögen die entsprechenden Berufswege einschlagen, sich dabei bewähren und durchsetzen und dabei akzeptieren, dass bei ihnen ebenso wie bei den Männern nur sehr wenige oben ankommen können und ankommen werden. Es sind diese, Männer und Frauen gleich behandelnden Prozesse, die sein sollten, nicht jene der Quotenpolitik, in denen sie ungleich behandelt werden.
Werden die Männer durch solche Quotenregelungen diskriminiert?
Bei jeder Anwendung des Qualifikations- und Leistungsprinzips ergibt sich eine bestimmte Verteilung zwischen Männern und Frauen. Soll diese quotenpolitisch zugunsten der Frauen verändert werden, dann muss diese Veränderung zu Lasten der Männer gehen. In der Regel ist das ein Nullsummenspiel, bei der der einen Seite das gegeben wird, was der anderen genommen wird, oder es geht um Zuwächse, die von vornherein (im offenen Widerspruch zu Art. 33 GG) einzig und allein Frauen zugute kommen sollen. Im Hochschulbereich werden zum Beispiel Frauen in Berufungsverfahren per Gesetz bevorzugt, nicht nur im einzelnen Fall, sondern auch durch das Professorinnenprogramm, das darauf abzielt, ausschließlich Frauen auf Professorenstellen zu berufen.
Selbstverständlich ist das eine Männerdiskriminierung. Und diese ist, wie jede andere Diskriminierung auch, vom Grundgesetz verboten; siehe Art. 3 (3) GG. Ich merke hier gleich mit an, dass die Berufung auf Art. 3 (2) Satz 2 eine Gleichstellungspolitik im Sinne einer Gleichheit im Ergebnis nicht rechtfertigt. Die Gleichstellungspolitik hat kein Fundament in der Verfassung, sie ist keine Verfassungsnorm. Der Begriff wird im Art. 3 GG weder verwendet noch könnte er gemeint sein; es geht einzig um allein um Gleichberechtigung, oder um Chancengleichheit, und das ist das Gegenteil von Gleichstellung, die auf das Ergebnis bezogen ist.
Müssen Männer um Ihre „Vormachtstellung" bangen und künftig auf die Einführung einer Männerquote hoffen?
Ich weiß nicht, von welcher „Vormachtstellung" sie sprechen. Männer begreifen sich nicht als Kollektiv, sie sind keines und und sie handeln auch nicht so. Es gibt nicht „DIE MÄNNER". Dass der Arbeiter bei VW und der Vorstandsvorsitzende, Herr Winterkorn, beide Männer sind, das bedeutet gar nichts. Für den Arbeiter ist es völlig gleichgültig, ob der Vorsitz des Vorstandes bei Herrn oder bei Frau Winterkorn liegt; nicht gleichgültig ist hingegen, ob diese Person qualifiziert ist. Männer denken und handeln als Individuen, und als solche stehen sie anderen Männern und Frauen und der Quotenpolitik gegenüber, in der es um das fiktive Frauenkollektiv „DIE FRAUEN" geht. Sie sind daher strategisch im Nachteil, und das wird, paradoxerweise mit Berufung auf ein angebliches Patriarchat, also einer falschen Begründung, unbeschränkt ausgenutzt.
Quoten sind, wie oben begründet, prinzipiell nicht wünschenswert, also ist auch die Männerquote als Irrweg zu beurteilen, selbst wenn sie, allerdings aus pädagogischen Gründen, derzeit mit Blick auf die Feminisierung des Grundschullehrerberufs diskutiert wird. Aber daran zeigt sich, wohin man kommt, wenn man, möglicherweise ohne es recht zu bemerken, das Leistungsprinzip zugunsten des Proporzprinzips aufgibt. Ist dieser Wechsel einmal vollzogen, dann gibt es keine Hemmnisse mehr für diese und für jene völlig willkürlichen Quoten anhand beliebiger Merkmale. Genau so machen das die klugen Leute aus Schilda, die das Proporzprinzip erfunden haben.
Oder ist das alles nur (politisch motivierte) Augenwischerei?
Diese Frage verstehe ich nicht. Wenn eine Frauenquotenpolitik rechtspolitisch durchgesetzt wird, weil das den Interessen gut organisierter Frauengruppen entspricht, dann sind die Folgen, die von diesen Gruppen als Erfolge gewertet werden, selbstverständlich gesellschaftlich negativ. Eine Frau wird dann Professorin, nicht weil sie von der Berufungskommission als besser beurteilt wird, sondern weil diese normativ und zusätzlich mittels besonderer finanzieller Anreize gehalten ist, Frauen zu bevorzugen. Also werden besser qualifizierte Männer nicht berufen, und, wenn dies die Regel ist, dann sinkt das Qualifikationsniveau zwangsläufig ab.
Was wären Ihre Alternativen?
Die Geltung des Grundgesetzes sollte in der Rechtspraxis unverzüglich wiederhergestellt werden.
Die verfassungswidrige Gleichstellungspolitik muss eingestellt werden, und damit auch die Diskriminierung der Männer zugunsten von Frauen. Anders als in den Medien breit kommuniziert existiert hierfür keinerlei tragfähige Begründung und damit keinerlei Legitimation.
In der „Frankfurter Erklärung zur Gleichstellungspolitik" heißt es zum Schluss:
„Die Gleichstellungspolitik ist rechtlich und moralisch unhaltbar. Eine Rechtfertigung für die Gleichstellungspolitik gibt es nicht. Eine Alternative zur Gleichstellungspolitik wäre eine konsequente Politik der Qualifikation. Arbeitsstellen sollten nach individuellen Qualifikationen der Bewerber und nicht nach deren Gruppenzugehörigkeit vergeben werden. Das würde die gerechteste Praxis der Stellenvergabe gewährleisten und mit dem Grundgesetz kompatibel sein. Eine Arbeitsstelle sollte diejenige Person erhalten, die dafür am besten qualifiziert ist, und zwar unabhängig von ihrer Gruppenzugehörigkeit: Qualifikation statt Quote
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Ralf E. Geiling ist WIrtschaftsjournalist und Buchautor