Gleichberechtigung hkzu6739

Franziska Disslbacher hat eine Buchrezension zu Piketty´s neuem Buch vorgelegt (1). „Er argumentiert in seinem neuen Buch 'Kapital und Ideologie', dass es an der Zeit ist, Eigentumsstrukturen, so wie wir sie kennen, zu begraben. Am 13. März 2020 wird Piketty sein neues Buch in der Arbeiterkammer Wien vorstellen.“ (…)  

„Prominente VerteilungsforscherInnen, allen voran Thomas Piketty, haben in den letzten Wochen hitzige Debatten angeregt. Dieses Mal jedoch nicht primär aufgrund der Veröffentlichung neuer Daten oder Zahlen – zur Diskussion stehen Maßnahmen zur Reduktion von Ungleichheiten. Diese Vorschläge werden vom Ruf nach einer möglichst breiten demokratischen Debatte über Gerechtigkeitsvorstellungen begleitet.“

Dieser Ruf ist mehr als berechtigt, weil der wohl häufigste Denkfehler in unserer derzeitigen Gesellschaft darin besteht, ohne irgendeine überprüfbare Begründung gedankenlos zu unterstellen, Gerechtigkeit sei identisch mit Gleichheit. Daraus werden regelmäßig entsprechende Forderungen nach Umverteilung, Begünstigung oder Benachteiligung hergeleitet. Dieses Muster lässt sich mühelos in zahllosen Beiträgen nachweisen.

Ein klassisches Beispiel ist die Gleichheitsforderung als sogenannte „Geschlechtergerechtigkeit“ mittels „Gleichstellung“ - in materieller Hinsicht – statt „Gleichberechtigung“ - in formaler Hinsicht. Gleichberechtigung (Art. 3 GG) ist aber eine formal-prozedurale Norm (ebenso wie Art. 33 GG), nicht eine, die an materiellen Ergebnisse als Ziel orientiert ist. Gleichstellung ist kein Ziel des Grundgesetzes, denn dieser Begriff existiert dort gar nicht, und das ist logisch auch unvermeidlich.

Nun soll hier nicht etwa die These vertreten werden, dass Verteilungsfragen keine Rolle spielten. Worum es aber geht, das ist die irrige und schädliche nahezu automatische Annahme und Unterstellung, eine an „Gleichheit“ orientierte Politik sei „gerecht“ und somit legitim. Das ist jedoch ein Irrtum. Auch Ungleichheit kann „gerecht“ sein, denn: „es kommt darauf an ..“ würden Juristen sagen, oder: es hängt dies entscheidend von der Qualität der Einzelfallbegründung ab.

Die Verteilungsfrage (Distribution) ist im frühen 19. Jahrhundert von David Ricardo (Klassische Politische Ökonomie) in den Mittelpunkt gerückt worden, und seither ist sie wichtig geblieben. Piketty hat sie als Volkswirt in der Gegenwart mit empirischem Schwerpunkt neu aufgerollt, und ebenso hat die Soziologie (Hans-Jürgen Krysmanski) sie in dem heute aktuellen globalistischen Zusammenhang thematisiert. (2)

Ein Problem dabei ist die theoretische Begründung der sozioökonomischen Ungleichheit versus ihrer moralischen, in der Regel vulgärmoralischen Beurteilung, die in unserer Gegenwart generell die große Mode ist, aber ihre Unterkomplexität nicht bemerkt. Man kann sich generell nicht einfach auf „Gerechtigkeit“ berufen, weil das eine unbestimmte regulative Idee ist, die erst in dem Maße an Bedeutung gewinnt, in dem sie theoretisch und empirisch konkretisiert und also in ganz bestimmter Art und Weise begründet werden kann.

Eine moralphilosophische Beurteilung ist zwar möglich und nötig, aber die methodischen Ansprüche an die Begründung sind weitaus höher als das in der heutigen öffentlichen Darstellung erkennbar wird. „Gefühlte“ Gerechtigkeitsvorstellungen sind nicht mehr als subjektive Willkür. Vorurteile, Ressentiments, Denkfehler und mangelnde Kenntnis der ökonomischen und sonstigen Zusammenhänge prägen das Bild, und dies selbst bei Großinstitutionen wie den beiden christlichen Kirchen in Deutschland.

Karl Marx hat seinerzeit in seinem Hauptwerk eine werttheoretische Begründung der sozioökonomischen Ungleichheit sozialer Klassen ins Zentrum gestellt, und nicht etwa eine moralphilosophische Begründung – oder gar deren Verfallsform einer vulgärmoralischen Polemik, wie sie heute üblich geworden ist. (3) Die heutige politische Debatte der Distribution ist  auf das frühsozialistische Niveau zurückgefallen, oder sogar noch darunter. Und das entspricht eben dem allgemeinen Bildungsverlust.

Anmerkungen
1) https://awblog.at/piketty-2-0-ideen-verteilungsgerechtigkeit/
2) David Ricardo: Über die Grundsätze der Poitschen Ökonoomie und der Besteuerung, Akademie Verlag: Berlin 1979
Hans-Jürgen Krysmanski: Hirten und Wölfe, Verlag Westfälisches Dampfboot: Münster 2004
Piketty, Thomas: Das Kapital im 21. Jahrhundert, Verlag C. H. Beck: München 2014
3) Marx, Karl: Das Kapital, 3 Bde., MEW 23 – 25, Berlin 1972,
insbesondere: Bd. 1, Abschnitte 3 – 5.

 

 

 

Weitere Beiträge

Vergesst die Rechten!

Um von Anfang an Missverständnisse zu vermeiden: Ich arbeite mit Personen aus dem konservativen Lager immer wieder gerne für eine lohnende Angelegenheit zusammen. Gelegenheit dazu habe ich beispielsweise bei AGENS, einer die verschiedenen Lager überbrückenden geschlechterpolitischen Initiative, genauso wie bei den bürgerlich Liberalen von "eigentümlich frei" und Co. Allerdings musste ich im...

Eine Stimme der Vernunft


In einem Beitrag auf der Seite der ARD wird wieder mal das Thema „Frauenquote“ diskutiert.
Warum eine Frauenquote für die Wirtschaft, von der ca. 200 Frauen aus der Oberschicht profitieren würden, ein wichtiges Thema ist, wird dabei nicht erläutert. Warum berichten die ARD und andere Leitmedien nicht in ähnlicher Häufigkeit und Ausführlichkeit über beispielsweise die Obdachlosigkeit, von der in der BRD...

Erschienen: "Gender Studies - Wissenschaft oder Ideologie?"

Was bedeutet “Gender”? Womit beschäftigen sich Gender Studies? Genügen ihre Grundkonzepte und Methoden wissenschaftlichen Standards? Wie beeinflussen Gender Studies die Politik? Die Publikation "Gender Studies - Wissenschaft oder Ideologie?" informiert über Gender Studies und ihre Auswirkungen auf die Politik.
Der Feminismus gehört zu den erfolgreichsten sozialen Bewegungen der neueren...

Weiblicher Narzissmus, Männerhass und Frauenpolitik


Für den Narzissten zählen nur seine Gefühle, Wünsche und Interessen. Werden die Erwartungen, die er an andere Menschen stellt, nicht erfüllt, so fühlt er sich gekränkt. Er reagiert auf die anderen mit Wut und nicht selten mit Hass.
Übertragen auf das Verhältnis der Geschlechter heißt es: Erfüllen Männer nicht die Erwartungen von narzisstischen Frauen, Erwartungen, die oft dem traditionellen...

Die Frauenquote und ihr Rattenschwanz


Die Beseitigung der Benachteiligung aufgrund des Geschlechtes am Arbeitsplatz war eine der Hauptforderungen der Frauenpolitik vor 30 Jahren. Jetzt setzt die gleiche Frauenpolitik durch, dass die Benachteiligung aufgrund des Geschlechtes in immer mehr Bereichen gesetzlich festgelegt wird: Per Frauenquote.
Dabei wird es nicht nur Dax-Unternehmen treffen, sondern weitgehende negative Veränderungen...

Ein Kämpfer für den rechten Glauben besucht ein Amt

Die offene Gesellschaft und ihre falschen Freunde: Ein Monolog für zwei Personen
Die Kampagne „ausnahmlos“ wurde von Feministinnen nach den vielfachen sexuellen Übergriffen in der Silvesternacht mit erheblicher medialer und politischer Unterstützung lanciert. Vereinzelt fragten Kommentatoren in sozialen Netzwerken auch danach, ob denn die Kampagne ausnahmslos allen Opfern, also auch männlichen...

Meine Frauenarbeitsmarktneurose


Ich muss zum Psychiater. Das riet mir kürzlich ein Kollege. Vielleicht hat er Recht.
Seine Diagnose stützt sich auf meine Neigung, meine Mitmenschen auf Merkwürdigkeiten in der Geschlechterdebatte aufmerksam zu machen, etwa dass bei Daimler die Männer revoltierten, weil sie sich wegen der Frauenförderung „um ihre Karriere gebracht“ fühlen, wie die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung unter dem Titel #Macho...

Frauenpolitik und Karrierismus

Oder: Wie die Linken auf ihre Ideale verzichten
Früher haben große Teile der Linken Karriere abgelehnt. Sie wurde als Ausdruck der Entfremdung angesehen und galt als Inbegriff von Geldgier, hierarchischen Strukturen, Konkurrenz und Ellenbogenmentalität, kurz: als Inbegriff des falschen Lebens.
Seit geraumer Zeit beobachten wir eine Rehabilitierung des Karrierismus, und zwar insbesondere in der...