Der große Journalist Peter Scholl-Latour ist tot. Welch ein Verlust das ist, kann man leicht bei Betrachtung der traurig-eintönigen Medienlandschaft Deutschlands feststellen.

Wenn Scholl-Latour Stellung bezog, musste man seine Ansicht nicht teilen, um zu merken, dass da ein frischer Wind wehte, wo sonst sich nur laue Lüftchen regten. Wo heute nur Platitüden nachgebetet werden, hatte er originelle, überraschende, jedoch stets gut begründete Meinungen.

Es ist eine Zeitenwende: Er war der letzte seiner Art. Ich wüsste an Statur nur Leute wie Herbert Wehner oder Marcel Reich-Ranicki an seine Seite zu stellen. Leute also, die unbequem zu sein sich trauten, an denen man sich rieb, aber an die man sich dann auch erinnerte. An welche der jetzigen Klone in Politik, Literaturkritik und Journalistik wollte man sich in Zukunft erinnern? An die Politikerin Angela Merkel, die „Frau ohne Eigenschaften“? An den Kritiker Hubert Spiegel, bei dem niemand weiss, wofür er eigentlich steht? An die Journalistin Majbrit Illner, die vom sicheren Studio aus alles besser weiss, nur leider immer hinterher?

Vorbei. Natürlich hatte Harald Schmidt irgendwo recht, wenn er sagte: Als noch Gedichte auswendig gelernt wurden, war Opa in Stalingrad. Jede Zeit bedingt ihr Personal. Es ist absurd, von unseren friedlichen Zeiten abenteuerliche Lebensläufe zu erwarten. Ob jene unbedingt mit langweiligen Figuren verknüpft sein müssen, ist dennoch fraglich. In der Politik mag es sogar von Vorteil sein: Vielleicht richten diese Figuren weniger Unheil an. Ansonsten ist das gepflegte und angepasste Mittelmaß eine Katastrophe, vor allem im Journalismus, der ja seine Rechtfertigung im Aufdecken unbequemer Wahrheiten hat.deutsche-befindlichkeiten-2

In den Nachrufen, die ich in den großen Zeitungen gelesen habe, war (bis auf Ulrich Wickert) der Neid auf Peter Scholl-Latour deutlich zu spüren. Dass er in seinen Prognosen so oft richtig lag, wurde ihm nicht verziehen. Und dass er Dinge in Afika und im Nahen Osten so benannte, wie sie waren, wurde ihm als „kolonialistische Attitüde“ ausgelegt. Selbst seinen persönlichen Mut haben Schreibstubenhengste und -stuten gewagt anzuzweifeln. Unvergessen seine Einlassung in einer Live-Runde, der Krieg könne auch eine positive Erfahrung sein. Als ein Raunen durch die Zuhörerschaft ging und der Moderator entsetzt nachfragte, machte Scholl-Latour mit der Frage kurzen Prozess, wer denn ausser ihm sonst noch im Krieg gewesen sei?

Der Vorteil der Lebenserfahrungen von Leuten wie Wehner, Reich-Ranicki und Scholl-Latour war nicht eigentlich ihre gelegentliche Militanz, die objektiv tatsächlich unangenehm sein konnte, sondern eben das Bewusstsein, dass unsere Freiheit keine Selbstverständlichkeit ist, sondern immer neu erkämpft werden muss. Man hat Scholl-Latour einen „Krieger“ genannt. Nun, Krieger der Unfreiheit gibt es eine Menge. Es fehlen Krieger der Freiheit. Das Gefühl für die Bedrohung dieser Freiheit ist bei den heutigen Protagonisten verlorengegangen. Man glaubt, sich durchmauscheln zu können. Das wird sich rächen.

 

Weitere Beiträge

Feminismus als Demokratiedystopie - #DHMDemokratie

Warum der moderne Feminismus nicht nur sich selbst gefährdet  Das Deutsche Historische Museum hat Cuncti unter dem Hashtag #DHMDemokratie zu einer Blogparade eingeladen. Das Thema: Was bedeutet mir Demokratie. Lesen Sie heute einen Beitrag unserer Autorin Bertha Stein.
Jeder liberal denkende Mensch befürwortet die Gleichberechtigung von Mann und Frau, begreift sie als essentiellen Bestandteil der...

Gezeitenwechsel


Ich hätte nie gedacht, dass es mir mal so gehen würde. Eigentlich bin ich ein optimistischer Mensch. Noch nie hatten wir so viele Möglichkeiten, uns zu entfalten, wie heute. Jeder kann leben, wie er es für richtig hält. Geschichte vollzieht sich in Pendelbewegungen, doch unterm Strich wird das Leben besser. Von alledem bin ich noch immer überzeugt. Aber im letzten Jahr hat sich etwas in mir...

Die Angst vor der Objektivität


Der Begriff der Objektivität ist in Verruf geraten. Postmoderne und feministische Autoren entwickeln ihre Positionen in Abgrenzung zur metaphysischen bzw. absoluten Objektivität.
Doch sollten wir deshalb auf Objektivität verzichten? Oder lässt sich ein Begriff von Objektivität finden, der nicht-metaphysisch wäre und an dem sich die wissenschaftliche Forschung orientieren könnte?
...

Wenn man politischen Gegnern das Menschsein abspricht


Jemand schreibt einen unverzeihlichen Blödsinn und erhält dann auch noch Publicity. Da muss man nicht mitmachen. Lassen wir also Namen beiseite und konzentrieren wir uns auf Fakten. Und nein, ich meine nicht Sarrazin, dessen Bücher und Thesen mir ziemlich gleichgültig sind. Aber er hat den Anlass geliefert.
Eine Journalistin schreibt u. a. Kolumnen bei der FR und bei der „Berliner Zeitung“. Seit...

NovoArgumente 117

29. April 2014
In der letzten Ausgabe haben wir ein Freiheitsmanifest (freiheitsmanifest.de) veröffentlicht. Es war an der Zeit, für mehr Vertrauen in den Menschen und sein Urteilsvermögen zu plädieren.
Wir wollten sehen, wie das ankommt in einem Land, wo vielen die eigene Verantwortung nicht geheuer ist und bei Problemen gerne nach Vater Staat gerufen wird. Wir haben sehr viel Zustimmung und...

Sexismus: Die Lobby der jammernden Talkshowfeministinnen


In Zeiten des politisch-korrekten Puritanismus kommen Männer schon in Teufels Küche, wenn sie über Frauenkörper nur sprechen. Der unklare Begriff der sexuellen Belästigung und Harmonie um jeden Preis führen zu einer Kultur des Jammerns, meint Sabine Beppler-Spahl.
„Einmal war ich mit einer fanatischen Frauenrechtlerin im Fernsehen. Sie sagte, wie schrecklich es sei, dass Frauen Sexobjekte sind. Ich...

Es war einmal die Aufklärung


Postmoderne Identitätspolitik setzt dem Westen erheblich zu, wie Alexander Ulfigs neues Buch „Das bedrohte Vermächtnis der europäischen Aufklärung. Wege aus der gegenwärtigen Krise“ zeigt.
 

Hassrede ist freie Rede


Mit Netzsperren und öffentlichkeitswirksamen Kampagnen wird gegen sogenannte „Hate Speech“vorgegangen. Besser wäre es, rassistischen und anderen Vorurteilen sachliche Argumente entgegenzusetzen.
Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst der Hate Speech. Im Englischen wird der Begriff benutzt, um herabsetzende sprachliche Äußerungen zu kennzeichnen, die vermeintlich Ausdruck von Hass sind....